Von Schwurblern, Tauben und kognitiver Dissonanz

Corona-Gegner, ja sogar Corona-Leugner liegen nicht immer falsch mit ihren Aussagen.
Wenn sie keine gewinnorientierte oder politische Agenda haben, sind viele von ihnen vom Prinzip her tatsächlich so etwas wie kritische Geister, Querdenker – und solche Leute haben schon oft Ungereimtheiten und Mauscheleien entdeckt und aufgedeckt.

Das Problem liegt woanders.
Die Freunde der Pandemie betreiben mit der Auswahl ihrer Quellen und somit auch in ihrer Argumentation exzessiv die altehrwürdige Traditionen des ‚pick and choose‘. Das heißt, sie suchen sich nur wissenschaftliche Ergebnisse sowie Aussagen von Wissenschaftlern, Prominenten, Politikern oder Betroffenen heraus, die in ihr Narrativ passen.
Diese Aussagen (irgendwer hat mal irgendwo gesagt, dass Masken nicht funktionieren, irgendwer hat mal irgendwo gesagt, dass die Impfung nichts bringt oder gefährlich sei, der Großonkel der Tante meines Freundes hatte eine heftige Impfreaktion und ist daran gestorben und so weiter) werden aufgebauscht, verbreitet und argumentativ bis zur Erschöpfung wiederholt.

Immer wieder, und immer wieder, größtenteils unverändert oder maximal leicht adaptiert.

Alle Argumente, wissenschaftliche Ergebnisse und Aussagen anderer Personen, die dieser Auffassung nicht entsprechen – und das sind in allen Punkten jeweils deutlich um nicht zu sagen überwältigend viel mehr – werden dagegen zumindest ignoriert, häufig diskreditiert, lächerlich gemacht oder sogar mit irgendeiner hintergründigen böse Absicht in Verbindung gebracht.
Und die lieben Querdenker sind in diesem Punkt grundsätzlich uneinsichtig, sehen ihre eigene Hybris nicht oder wollen sie nicht sehen.

Nachdem viele von ihnen allerdings besonders laut und besonders engagiert sind, oft getragen von dem Sendungsbewusstsein gegen das Böse zu kämpfen, wird das in der Berichterstattung über sie, ja auch in unseren Diskussionen hier auf Facebook, zu so etwas wie einer ‚false balance‘.
Soll heißen, ihre Zahl und das Gewicht ihrer Argumente wird deutlich überbewertet – obwohl ihre Menge zahlenmäßig äußerst gering ist (und nicht zunimmt, auch wenn sie das gerne behaupten oder von einem Volksaufstand träumen) und auch die Aussagekraft ihre Behauptungen größtenteils auf tönernen Füßen steht. Mit wenigen, wie eingangs erwähnt, richtigen Einwänden.

Das macht die Diskussion aber auch einfach der Umgang mit dem gemeinen Schwurbler so schwierig. Es ist wie dieser berühmte Vergleich mit dem Schachspiel mit einer Taube. Wenn man man sich darauf einlässt und sich dabei selbst an alle Regeln hält, muss man damit rechnen, dass die Taube die Figuren umwirft, auf das Spielbrett kackt und sich siegreich aufplustert, zweifellos völlig überzeugt von der eigenen Wichtigkeit…

Gewonnen hat sie das Spiel aber dennoch nicht.
Schon gar nicht argumentativ.

PS: was ich besonders schwer erträglich finde, ist die Hähme mit der sie jetzt über die Lockerungen der Maßnahmen weltweit herfallen – quasi als nachträglicher „Beweis“ dafür, dass alles nicht so schlimm gewesen sei und vollkommen übertrieben!
Zum einen stimmt das natürlich nicht, denn die Maßnahmen werden gelockert, weil sie erfolgreich waren, und zum anderen haben die selben Leute noch vor wenigen Wochen lautstark darüber gewettert, dass wir in einer Diktatur leben, die Maßnahmen nie aufgehoben würden und das Volk langsam aber sicher versklavt würde. Kann man nicht erfinden.
Die Fähigkeit mit der eigenen kognitiven Dissonanz zu leben erreicht inzwischen schon die Maße von Orwellschem Zwidenken…

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